Der schlimmste Morgen meines Lebens
Eines Morgens erwachte Amelia zu den Nachrichten, dass in ihrem Land ein Krieg ausgebrochen war. Es wurde der schlimmste Morgen ihres Lebens und er ist noch nicht zu Ende.
Ukraine, Eastern Europe
Eine Geschichte von Amelia. Übersetzt von Veronica Burgstaller
Veröffentlicht am June 26, 2022.
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Am 24. Februar 2022 wurde ich von den Worten meines Ehemannes geweckt, "Der Krieg hat begonnen." Wir schalteten den Fernseher für die Nachrichten ein und schalteten ihn nicht mehr aus. Ein paar Minuten später hörten wir das Geheul der Sirenen, die vor einem möglichen Bombenangriff warnten.
Es war der erste Tag der russischen Invasion. Die Feinde warfen Bomben auf einige Städte in meinem Heimatland, der Ukraine, ab. Ich lebe im Westen von Ukraine. Meine Stadt wurde noch nicht bombardiert. Aber wir alle hier leben mit der Angst, dass früher oder später auch in unserer Stadt etwas passieren wird. Wir mussten auf Webcams, auf Bildern, auf Videos die vielen toten Körper von Zivilisten sehen und, erfahren, wie alles, was wir lieben, zerstört wird. Die Menschen, die aus den gefährlichsten Städten fliehen, erzählen erschreckende Geschichten. Frauen mit kleinen Kindern flohen 20 Stunden lang ununterbrochen im Wissen, dass sie jederzeit von Hubschraubern und Militärflugzeugen bombardiert werden könnten. Das ist einfach verrückt. Einige von uns können immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Es ist ein Albtraum, aus dem wir nicht aufwachen können.
Ich lebe jede Minute angespannt, bekleidet, mit einem gepackten Rucksack mit den nötigsten Sachen in der Ecke meines Zimmers, für den Fall, dass die Sirene ertönt und ich in den Luftschutzkeller laufen muss. Laufen - denn bei mir zu Hause haben wir keinen Keller. Laufen - die Straße entlang zu dem Nachbarhaus ein Block weiter. Für die meisten Menschen ist der Luftschutzkeller jetzt die einzige Möglichkeit, sich vor der Gefahr zu verstecken. Einige Bekannte aus anderen Ländern wagen zu sagen: "Keine Sorge, das ist nur Politik" oder "Keine Sorge, sie werden keine Zivilisten verletzen." Aber ich mache mir Sorgen. Diese Phrasen machen mich einfach wahnsinnig wütend. Stell dir vor, ein Panzer kommt auf dich zu, und jemand sagt dir: "Keine Sorge, er wird dir nichts tun." Wenn ich sehe, wie diese Leute Zivilisten töten, Mädchen vergewaltigen und töten – ich kann es unmöglich begreifen: Wie können Menschen nur so grausam sein?! Wie kann die EU "nie wieder" zu den Dingen sagen, die während des Ersten und Zweiten Weltkriegs geschahen, und nichts gegen das tun, was hier jetzt geschieht? Und das Mitten in Europa. Im 21. Jahrhundert. Ich begreife es einfach nicht. Nie und nimmer.
Ich habe bisher alle meine Gefühlsspektren durchlaufen - Verleugnung, Wut, Depression und Akzeptanz.
Es ist bereits der 9. Tag des Krieges. Es fühlt sich an wie ein langer, langer Tag. Ich habe bisher alle meine Gefühlsspektren durchlaufen - Verleugnung, Wut, Depression und Akzeptanz. Ich tue alles, was ich kann, um mir psychisch zu helfen, um keine Schuldgefühle zu haben und um Anderen zu helfen. Ich spende Geld für die Armee und für bestimmte Personen, die dann Munition, Medikamente oder Lebensmittel für unsere Soldaten und notwendige Dinge für die Flüchtlinge kaufen. Meine Mutter und ich (wenn sie nicht im Krankenhaus arbeitet) stellen Abdecknetze für das Militär her, und mein Mann hilft beim Verpacken und Transportieren von notwendigen humanitären Hilfsmaterialien. Mein Mann hat gesundheitliche Probleme und kann im Moment nicht anders helfen. Wäre er gesund und fit, würde er sicher zur Verteidigungslinie gehen. Derzeit warten wir auf einige ausländische Journalisten, die wir für ein paar Tage bei uns aufnehmen werden. Wenn wir irgendwelche Nachrichten sehen, in denen um Hilfe gebeten wird, und es in unserer Macht steht, dann helfen wir.
In meinem Kopf spielte ich mit dem Gedanken zu fliehen, bis ich mir klar wurde, dass es mein Land ist, mein Zuhause, und niemand kann zu mir kommen und sagen, was ich zu tun habe. Ich bin frei. Die Freiheit kann mir niemand wegnehmen. Das Wappen der Ukraine ist eine Art Dreizack. Als ich klein war, hat mir meine Oma beigebracht, wie man ihn malt. Sie zeigte mir, dass in dem Bild das ukrainische Wort für Freiheit versteckt ist. Die Freiheit ist in unseren Genen. Deshalb haben wir auch das Sprichwort "Freiheit oder Tod".
Manchmal fühle ich mich klein und ängstlich und möchte mich verstecken, aber andererseits bin ich unheimlich stolz darauf, Ukrainerin zu sein und meiner Nation im Kampf für die Freiheit auf jede erdenkliche Weise zu helfen.
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