So Weit Weg, Egal Wie Nah
Im Laufe der Jahre ist Migration zum Epizentrum unseres Lebens geworden. Was bedeutet es, Einwanderer zu sein?
Eine Geschichte von Merve Vardarli. Übersetzt von Veronica Burgstaller
Turkey, Western Asia
Veröffentlicht am 23. Februar 2020
Lesedauer: 4 Minuten
Diese Geschichte ist auch verfügbar in
Im Laufe der Jahre ist Migration zum Epizentrum unseres Lebens geworden. Was bedeutet es, Einwanderer zu sein? Man denkt sich vielleicht: "Ich habe noch nie in einem anderen Land gelebt oder ich habe noch nie mein Land für ein anderes verlassen." Das mag für sich selbst wahr sein, aber gilt es auch für unsere Verwandten, unsere Vorfahren? Vielleicht nicht.
Die Türken verbinden vor allem das Konzept der Migration mit dem Ausbruch des Syrienkrieges und es nahm in den türkischen Medien einen enormen Platz ein. Wir hatten jedoch etwas vergessen: Die meisten von uns hatten sich vereinigt, als das Osmanische Reich zusammenbrach. Die Auswirkungen spürt man bis heute.
Meine Großeltern kommen aus Bulgarien, Rumänien und Griechenland. Ich bin jedoch auf türkische Weise mit der türkischen Kultur aufgewachsen und habe bis vor kurzem angenommen, hundertprozentig türkisch zu sein. Ich habe jedoch gelernt, dass ich aufgrund der Ereignisse die meinen Vorfahren in der Vergangenheit widerfahren sind, tatsächlich die Staatsbürgerschaft Rumäniens beanspruchen und Doppelbürger werden kann. Dieses Ereignis veränderte meine Wahrnehmung von Nationalitäten. Die Welt ist ein riesiger Schmelztiegel und dennoch bestehen wir darauf, uns von anderen zu differenzieren.
Jetzt lebe ich in den USA mit einer Green Card und mit Doppelbürgerschaft von Rumänien und der Türkei. Der Umzug in die USA hat auch meine Wahrnehmung dahingehend verändert, zu verstehen, was Einwanderung im wirklichen Leben tatsächlich bedeutet. Ich konnte nur einen winzigen Teil der Schwierigkeiten verstehen, die meine Vorfahren und Migranten von heute ertragen mussten, als ich selbst als Immigrant in ein anderes Land zog.
Es gibt die Unterschiede, die wir in unserem täglichen Leben kreieren, um das Gefühl zu haben, irgendwohin zu gehören. Dieses Verlangen greift so weit in die Geschichte zurück, und hat zu Rassismus, Kriegen und Völkermorden geführt. Aber wer sind wir wirklich?
Die Dinge, die ich in den letzten Jahren in meinem persönlichen Leben erlebt habe, haben das Konzept der ethnischen Zugehörigkeit für mich grundlegend verändert. Unsere ethnische Zugehörigkeit ist fließend, wir verändern uns ständig. Die Welt entwickelt sich weiter. Das einzige Konzept, auf das wir Schwerpunkt legen sollten, ist, einen Weg zu finden, unsere geteilte Gemeinsamkeit zu erkennen, weil wir alle es irgendwo tief in uns haben, den Menschenverstand.
Das Schlimmste ist, Grenzen sind etwas, das wir irgendwann in der Geschichte geschaffen haben. Lange Zeit konnte ich das Land, in dem meine Großeltern geboren wurden und lebten, nicht besuchen, da ich ein Visum und anderes Papierkram brauchte. Diese Situation macht mich traurig.
Ich persönlich glaube, dass internationale Beziehungen das Konzept unseres Jahrhunderts sind und dass sich jede Nation darauf konzentrieren sollte, die Verhandlungen untereinander zu verbessern, um Konflikte zu reduzieren. Wie ich oben erwähnt habe, sind wir grundsätzlich alle gleich und die Untertanen der Nationen sind ihre Bürger, deren Herkunft nicht beständig ist. Als in den USA lebender Türke, Rumäne, Bulgare und Grieche möchte ich darauf hinweisen, dass all der Rassismus und die ethnische Zugehörigkeit nur von uns geschaffene Konzepte sind, um den Drang zu erfüllen, ein Zugehörigkeitsgefühl zu haben. Wir haben uns entwickelt, unser Gehirn zu nutzen und unsere tierischen Instinkte zu zügeln. Ich weiß nur, dass wir besser sein können. Verwenden wir also unseren gesunden Menschenverstand, und lass uns freundlicher zueinander sein. Peace.
Was macht diese Geschichte mit dir?
Unterhalte Dich über diese Geschichte
Subscribe
Mehr Geschichten auf Deutsch
Thema: Migration
> Norway
Dialogue with Refugees in Norway
A story by Lene Mortensen
Anti-refugee politics is on the rise all over the world, but we can counter this trend by daring to ask questions and get to know those who are being spoken about.
> United States
Notes From the Puerto Rican Limbo: Introduction
A story by Javier A. Román-Nieves
In my upcoming series of stories, I will share my take on the most pressing issues and the ideas we use to tackle them, filtered through the triplethink lens of the Puerto Rican limbo in times of COVID and civil unrest.
> Syrian Arab Republic
Thinking about Migration
A story by Kamelia Khalil
Beyond my beautiful childhood memories, I went to Syria as an adult to exercise my Right to Freedom of Movement.
Mach mit
At Correspondents of the World, we want to contribute to a better understanding of one another in a world that seems to get smaller by the day - but somehow neglects to bring people closer together as well. We think that one of the most frequent reasons for misunderstanding and unnecessarily heated debates is that we don't really understand how each of us is affected differently by global issues.
Unser Ziel ist es, dies zu verbessern - und zwar mit jeder Geschichte, die wir teilen.
Community Weltweit
Correspondents of the World is not just this website, but also a great community of people from all over the world. While face-to-face meetings are difficult at the moment, our Facebook Community Group is THE place to be to meet other people invested in Correspondents of the World. We are currently running a series of online-tea talks to get to know each other better.